Hinweis zu „Das freigeistige Wort zum Sonntag“: Die Idee besteht darin, dass ausgehend von einem Zitat eine kurze Meinungsdarstellung verschiedener Autoren veröffentlicht wird, über welche dann diskutiert werden kann.
Die Redaktion liegt bei Andreas Krödel. Das bedeutet, das an seine Adresse (an-kroedel@t-online.de) jederzeit unter der Bemerkung „WzS – Entwurf“ Texte gesendet werden können und diese dann zeitlich eingeordnet und dann in der Freidenker-ML jeweils am Sonnabend oder Sonntag veröffentlicht werden. Ich hoffe auf aktive Vielfalt. Für die Texte ist der jeweilige Autor selbst verantwortlich.
Dargestellte Meinungen müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.
Das freigeistige Wort zum Sonntag, den 21.08.2011 von Andreas Krödel
„Marx hatte die Arbeitslosen als Reserve-Armee und Arbeitslosigkeit als Erpressungsmittel des Kapitals erkannt. Deshalb hatte ich ja die DDR bewahren wollen, nie sollten meine Kinder um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen. Und nun suchte ich die Linken zu erwärmen, ihr Denken umzulenken: Hinweg vom kapitalistischen Wachstum, das immer wieder Arbeitslose schafft, hin zur marxschen Vision von menschlichem Reichtum und von Reduzierung der Arbeitszeit. Alles zugunsten der Familien, der menschlichen Bildung und der erwerbslos Gewordenen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschlossen sind, und das zum Unglück anderer, die zu viel roboten müssen.
Darüber hatte ich 1998 berichtet in „Marx und Moritz“. „
„Weil ich neugierig bin, interessiert mich auch, wie andre Menschen arbeiten. Ich bewundere sie, wenn sie etwas können, was ich nicht kann. Wir können einander viel geben. Da wird der andre Mensch zum größten Reichtum.
So bin ich mehrfach disponiert zu Solidarität und Freundlichkeit. In der Bibel steht „Glaube, Liebe, Hoffnung.“ Ich sage „Neugier, Liebe, Revolution.“
Aus Rainer Thiel : „Neugier, Liebe, Revolution“
Ich hatte in dieser Woche im eigentlichen Sinne des Wortes die Ehre und das Vergnügen, einen langjährigen Freund in Bugk besuchen zu dürfen, den Quer-, weiter-, und kritischen Denker. Rainer Thiel. Was dieser Mensch, obwohl schon fast 81 Jahre alt; an Energie in sich trägt; das ist einfach faszinierend. Wir haben die Tage dazu gebraucht, um zu diskutieren, gemeinsam zu arbeiten, ich habe in der wenigen freien Zeit in seiner schier unendlichen Bibliothek lesen können, Dinge, Zeitzeugen, Geschichte; deren man sich heute nicht mehr erinnern will; für schlafen oder essen blieb da kaum Zeit. Das z.B. Marx selbst wollte, das seine Ansätze weiterentwickelt werden müssen; den geschichtlichen Bedingungen angepasst werden müssen, welche Rolle Mao oder Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht oder Stalin; oder die Mauer in der Geschichte gespielt haben, das alles findet man dort in Originaldokumenten. In jedem Buch dann Zeitungsausschnitte und Bilder, Hervorhebungen, Notizen – so entstand ein Weltbild, vor dem ich mich respektvoll verneige. (Dazu bald eine Sonderausgabe des WzS)
Er hat nicht nur zahlreiche Bücher geschrieben, deren Lektüre uns allen stets zum Vorteil sein kann. Um aufzuzählen, wo er überall tätig ist, würde ich Seiten benötigen. Hervorzuheben sind vielleicht sein Kampf um bessere Bildung und gegen Schulschließungen; die unabhängigen Montagsdemos in Berlin Alexanderplatz, die sozialen Netzwerke; sein Kampf um die Senkung der Arbeitszeit, die Erhaltung der Umwelt; sein mutiges Auftreten gegen die neuen Nazis…. , sein mutiges Auftreten bei Kongressen; die ständige Auseinandersetzung mit aktueller Politik und Philosophie durch aktives Einmischen – hie breche ich mal ab, da diese Aufzählung nie abgeschlossen werden kann.
„Nur zwei Monate waren wir am Beginn einer wirklichen Demokratie – 1989, als die Demonstranten riefen: „Wir sind das Volk“; danach riefen sie dann: „Wir sind ein Volk“ und es war vorbei.“; sagte er. Soviel Denkanschläge habe ich bestimmt noch nicht in so kurzer Zeit zu verarbeiten gehabt; es wird Monate – vielleicht Jahre dauern, bis ich diesem Schatz ans Licht der Öffentlichkeit gebracht habe. Hier ist viel zu tun; auch für mich!
Wir waren uns einig, dass bisher das Volk nur mißbraucht wurde, um Hemmnisse in der Entwicklung zu beseitigen, dann aber immer wieder neu unterworfen wurde durch neue Unterdrückungsapparate. Letztes Beispiel eben 1989 und die Entwicklung der heutigen Partei „Die Linke“ (oder Einfügung von mir: auch des DFV). Normalerweise ist es doch wohl so, dass bei Wahlen Regierungen, Vorstände usw. beauftragt werden, bis zu den nächsten Wahlen die Organisation der Arbeit zu realisieren, den Willen der Wähler umzusetzen, aber auch Strategien, Orientierungen für die Mitglieder in ihrem Sinne zu schaffen, vorzugeben. Davon ist nicht nur ein europäisches Parlament; eine Bundesregierung oder eben auch das, was sich heute „LINKS“ nennt bis hin zu Parteien, Verbänden und Organisationen; abgerückt. Zensur, Nichtbeachtung, Ignoranz – bloß nicht denken; lieber herrschen, Macht zu haben bringt Geld, was dem Mitglied, heute eben Bürger betrifft, ist doch egal _ Hauptsache, ich bin gewählt! Dagegen gilt es, von unten, von der Basis aus, entschlossen vorzugehen.
Rainer stellte mir sein gesamtes Lebenswerk zur Verfügung für „unser Plan“, also dem digitalen Freidenkerarchiv, aber auch sonst zur weiteren Verarbeitung und Verbreitung.
Zum Abschied des Besuches hörten wir Musik von J.S. Bach _ „Blitze schießen von der Erde zum Himmel“ mit erhobener rechter Faust; die Revolution von unten.
Bei der Fahrt zum Bahnhof Storko holte er sein Zeitungspaket aus dem Briefkasten; da war Die Bundeskanzlerin Merkel in Paris mit dem Präsidenten von Frankreich zu sehen. Da stellte ich folgende Frage: „Haben sie nun das Ziel eines Adolf Hitler zumindest für Europa auf diesem Weg erreicht?“ !?!?!?!
Denkt darüber nach!
Andreas Krödel
„Geld gibt es genug. Allein bei der BfA werden jährlich über hundert Milliarden zur Aufrechterhaltung von Barbarei verpulvert. Normalverbraucher aber halten still, weil sie nicht wissen, wie man sich zum Widerstand vernetzen kann, sie haben keine Erfahrung. Und sie halten still, weil sie um ihre Arbeitsplätze bangen, weil sie überstresst sind, weil sie abends erschlafft aufs Sofa sinken, weil sie nicht über den Tellerrand hinausblicken, oder weil sie als Arbeitslose sowieso allen Mut verloren haben. Das ist die von Marx enttarnte Entfremdung des Menschen von seinen menschlichen Potenzen. Was soll das Logo „Sozial und solidarisch“, wenn keine Politik dabei herauskommt? Stattdessen Produktion von Barbarei? Die menschliche Massen-Katastrophe ist schon groß genug.
Arbeit – auf zwanzig Wochenstunden aller reduziert – bleibt Entwicklungsfeld der Menschengattung. Aber jenseits der Produktion „beginnt die menschliche Kraftentfaltung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit …. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ (MEW 25.828) Es kommt – so Marx – darauf an, „die Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft auf ein fallendes Minimum zu reduzieren und so die Zeit aller frei für ihre eigne Entwicklung zu machen….“ (MEW 42.604) Habt Ihr Angst, Ihr Sozialisten, die Bürger dann für Demokratie und Demonstrationen, für Bildung und Kultur und demokratischen Sozialismus gewinnen zu müssen, ohne die Ausrede zu haben, die Bürger würden sich ja nicht interessieren?
Aus Rainer Thiel : „Arbeit und Freizeit für alle.
Sichert Wachstum Arbeitsplätze? Nein. Kompensation zwischen Jobbenden und Arbeitslosen! Solidarität!
Fangt endlich an mit Politik!“
P.S.: Ich möchte auf keinen Fall hier in „Personenkult“ verfallen, aber die Lebensleistung von Rainer, vor allem aber seine Ausgrenzung, Nichtveröffentlichung, Ignoranz durch die Machthaber der Zeiten und ihren Medien, spricht Bände (dieselben Gründe, warum auch ich und so viele andere Basisdenker ebenso ausgegrenzt werden durch „einfach nicht lesen, nicht zuhören wollen“ beflügelt uns, weiterzumachen. Rainer sagte: „All die Rausschmisse haben mich eigentlich in meinen Grundfesten bestärkt.“