Freidenker

„Denkt darüber nach!“
Autor: Andreas Krödel
Datum: 03.10.2015

Thema:“ „Freidenker“

Zitat 1:
„Ein Wirbelsturm ungeheuren Erlebens braust über die Menschheit unserer Tage dahin. In unaufhörlicher Reihenfolge schlagen die Wellen wirtschaftlicher und politischer Krisen über uns hinweg. Krisen waren das Erleben der letzten Jahre, Krisen sind das beherrschende Moment der Gegenwart, Krisen die einzig sichere Perspektive der nächsten Zukunft.
Von Zweifel und Ängsten, von Hunger und Elend gepeinigt, stehen Millionen unterdrückter Menschen im Wirbel dieser Ereignisse. In ihrer geistigen Blindheit sind sie gänzlich der Fähigkeit beraubt, an ein Entrinnen aus diesem Chaos durch ihre eigene Kraft zu glauben. Sie begreifen nicht, daß eine auf die Spitze ihrer Macht getriebene kapitalistische Wirtschaftsordnung, um der ihr innenwohnenden Gesetze halber, sie in den Weltkrieg hineinschleuderte und daß eben dieselbe Wirtschaftsordnung in diesem Kriege von dem Höhepunkt ihres schöpferischen Wirkens hinabglitt auf die Bahn des langsamen aber ständigen Niedergangs. Schwer, nur allzuschwer dringt die Erkenntnis zu ihnen, daß sie kämpfen müssen um die Befreiung von ihrem Sklavenjoch, daß sie gemeinsam mit ihren Unterdrückern den Untergang erleiden werden.
Sie fühlen den Boden unter ihren Füßen wanken und suchen vergebens nach einem festen Halt. Kein anderes Gefühl herrscht mehr in ihnen denn der Hunger. Sie schreien nach neuer Fron, betteln um Arbeit, um Nahrung und sind außerstande zu begreifen, daß sie jemals anders denn aus der Hand des Kapitalisten Nahrung erhalten könnten. Sie sind blind und taub für die Erkenntnis, daß die Krise der kapitalistischen Unterdrückungsmaschine ihre Fesseln lockert. Sie fürchten vielleicht mehr noch als den Unterdrücker selbst – die Befreiung von ihm. Gewohnheit, Erziehung, die gänzliche Wesenlosigkeit ihres Sklavendaseins hat sie vollends des Glaubens an ihre eigene Kraft, des Gefühls für ihre Menschenwürde beraubt. Nicht nur ihr Körper, ihr ganzes Fühlen und Denken ist mit tausend Fesseln an den Unterdrücker gekettet. Wenn sie überhaupt noch einen Wunsch außer dem nach Stillung des nagenden Hungers empfinden, so ist es der, selbst einmal — Kapitalist sein dürfen, selbst einmal Ausbeuter zu werden, selbst einmal die Macht ausüben zu dürfen, deren Objekt sie jetzt sind.
Und so erwachsen aus Not, Elend und hemmungsloser Verzweiflung alle Abarten wilder egoistischer Instinkte, überschwemmt uns eine Flut verbrecherischer Triebe, herrschen Korruption und Demoralisierung allenthalben, wohin wir blicken, bilden sie das Signum unserer Gegenwart. In diesem Augenblick haben wir niemals zu vergessen, daß dieses zur entsetzlichen Fratze verzerrte Gesicht der Menschheit unserer Tage das eigentliche Gesicht des Kapitalismus ist. Niemals dürfen uns alle Begleiterscheinungen der Gegenwart die Überzeugung rauben, daß einen Ausweg aus all dem Chaos nur die unermüdliche, täglich von neuem beginnende Arbeit am Sozialismus bahnen kann. Fest und unbeirrbar lebt die Erkenntnis in uns, daß der Weltkrieg den Anfang zu einer Weltenwende schuf. Es wird letzten Endes als einzige Besiegte aus dem Weltkrieg die herrschende Gesellschaftsordnung hervorgehen und ihr Ende wird der Anfang der Herrschaft des Sozialismus sein.
Ja, aber können diese armseligen Menschen der Gegenwart jemals sich zu freien, denkenden, selbstbewußt handelnden Sozialisten entwickeln? Ja und abermals ja! Freudig bejahen wir diese Frage und fügen hinzu:
So wie heute die Sklaven des Kapitalismus entsetzt und fassungslos den hereinbrechenden Ereignissen gegenüberstehen, so hat einst in grauen Vorzeiten der Urmensch sich in fassungslosem Entsetzen zusammengeduckt, wenn Donner und Blitz als ihm unbekannte Gewalten seine Sinne betörten. In unaufhörlicher Entwicklung erst erklomm er die Stufe der Erkenntnis, die ihn lehrte, das Walten der Elemente in der Natur zu begreifen, sich vor ihren Ausbrüchen zu schützen und schließlich — sie zu beherrschen.
Ende Zitat 1

Zitat 2:
„Und desto eher wird dieser Tag hereinbrechen, je tatkräftiger alle, die den Kampf gegen Stumpfsinn, Resignation und geistige Blindheit aufnehmen, die beseelt von innerer Erkenntnis stark und in froher Zuversicht den Massen den Weg in die Zukunft zu bahnen haben. Es ist das Banner des Freidenkertums, das gerade jetzt, inmitten der Zerrissenheit unserer Gegenwart mit aller Kraft und weithin sichtbar aufgepflanzt werden muß. Es ist der Begriff des Freidenkertums, den wir hier in erster Linie zu definieren haben.
Freidenker nennt sich mancher, der um innerer Erholung halber in den Kreis freidenkender Menschen trat, um bei ihnen Anregung und Ausfüllung seiner Mußestunden zu suchen. Freidenker ist aber nur der, wer sein ganzes Wissen und Können als Rüstzeug im Kampfe für die Erlösung der Menschheit aus geistiger Knechtschaft benutzt. Freidenker sein heißt Kämpfer sein.“
Ende Zitat 2

Quelle:
„Um des Geistes Freiheit“
Max Sievers, aus: „Der Freidenker“ Nummer 1 – Januar 1925, 1. Jahrgang

Warum sind hier die Zitate länger als mein Beitrag?
Ganz einfach, es bestätigt doch meine These, alles ist geschrieben, nur eben nicht umgesetzt (siehe auch“11. These zu Feuerbach“ Marx). Zufälle gibt es nicht und die Lösung wäre aus meiner Sicht: Einheit in Vielheit wider das System! Das wurde abgelehnt, verspottet, akzeptiere ich, nur leider gibt es keine mir vorliegenden besseren Vorschläge.
Mit großem Fragezeichen versehen verweile ich in Erwartung auf Antwort wie immer:
„Denkt darüber nach!“ -“belastet Euch dieser Aufruf – schreibt dazu“
Andreas Krödel

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